Leinenlos Geliebt.

Ein ewiges Lernfeld

  • Nächstenliebe. Ein weites Feld.

    Wie liebt man seinen Nächsten? Wo fängt Nächstenliebe an und wo hört sie auf?

    In Matthäus 22, 36-40 wird von der Nächstenliebe berichtet – als extrem wichtig:

    Meister, welches ist das höchste Gebot im Gesetz? Jesus aber antwortete ihm: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt.“ Dies ist das höchste und größte Gebot. Das andere aber ist dem gleich: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ In diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.

    Super, genau darum geht es doch bei unserer Arbeit mit Leinenlos. Wir tun das, was wir tun aus Liebe zu Gott. Wir folgen Jesus nach, indem wir uns um vermeintlich Schwächere kümmern. Wir lieben Gott. Und natürlich lieben wir bei unserem Tun auch unseren Nächsten, oder etwa nicht?

    Immer wieder begegnet mir diese Frage in meinem Leben. Wir handeln doch aus reiner Nächstenliebe… oder? Was bedeutet es? Wo hört unsere Nächstenliebe auf?

    Ich möchte hierzu eine kleine Geschichte erzählen, die ich in dieser Woche erlebt habe:

    Am Dienstagabend hatten wir Kältemöbil und das Wetter war, naja, nicht so gut. Es goss, es hagelte, die Welt schien einen Moment lang unterzugehen. Es wurde schnell chaotisch und jeder versuchte, sich irgendwo unterzustellen. Ich selbst schaffte es nach ungefähr ein bis zwei Minuten mich auf dem Fahrersitz des Kältemobils zu platzieren – und dennoch war mein Pullover noch am nächsten Morgen so nass, dass man ihn auswinden konnte. Als ich da zwei oder drei Minuten gesessen hatte, kam ein junger Mann, ein treuer Gast, der schon viele Jahre auf der Straße lebt zu mir an die Türe und meinte: „Bitte lass mich rein!“ Ich hätte ihm gerne obdach gewährt, aber da war nur ein Platz…

    Ich versuchte ihm das zu erklären und ließ dann die Türe offen, damit er seinen Kopf ins trockene strecken konnte, aber mehr war nicht drin! Es tat mir leid. Er flehte mich förmlich an, ihn rein zu lassen, doch ich sah keine Möglichkeit. Er musste im Regen verweilen und ging schließlich weiter, um ins Trockene zu kommen.

    Am nächsten Tag traf ich zwei andere Wohnungslose in der Stadt, die ebenfalls im Regen standen. Sie waren auch am nächsten Nachmittag noch nass… und ich ein wenig beschämt.

    Mir wurde in diesem Moment klar, dass meine Nächstenliebe oftmals schon da aufhört, wo meine Wohlfühlzone anfängt. Bei eigenen Nachteilen ist Schluss mit lustig! Alles, was wir bei unserer Arbeit tun sollte auf bedingungsloser Nächstenliebe basieren. Warum habe ich ihn denn nicht auf meinen Platz gelassen? Warum bin ich nicht für ihn in den Regen gegangen?

    Im Philipperbrief steht in Kapitel 2 in den Versen 3-8:

    Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den andern höher als sich selbst, und ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem andern dient. Seid so unter euch gesinnt, wie es auch der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht: Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt. Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.

    Jesus selbst wurde Mensch. Er tauschte seinen Platz im Himmel mit dem Dreck, der uns im Alltag begegnet. Er liebte uns und tut dies noch immer – soweit, dass er an unserer Stelle gestorben ist. Und ich will ihm nachfolgen und schaffe es nicht einmal, für einen anderen nass zu werden, dem ich helfen möchte…

    Was wäre passiert? Ich wäre abends durchnässt nach Hause gekommen und hätte meine Kleidung über die Heizung gehängt, damit sie trocknet. Ich hätte geduscht und mich umgezogen, mir einen Tee gemacht und mich in mein Bett gekuschelt – und wie erging es dem jungen Mann? Der hat keine Wechselkleidung, der hat manchmal nicht mal ne richtige Heizung und die warme Dusche fällt auch aus.

    Jesus ertrug alles, weil er nach vorne schaute. Er sah, dass er am Ende wieder nach Hause ging – und er sah, dass er genau durch seinen Weg ans Kreuz helfen konnte.

    Manchmal bedeutet Nachfolge auch, sich selbst hinten anzustellen, weil man das große Ganze im Blick hat. Im Kleinen treu sein, um das Große zu erleben – das möchte ich in Zukunft gerne tun!

    Danke, dass ich immer weiter lernen darf, Herr.

    Samstag, 13.02.2016