Leinenlos Geliebt.

Kaufe die Zeit aus!

  • Am vergangenen Samstag waren wir bei Worms auf einer Jugendkonferenz und hielten dort einen Workshop mit dem Titel „Jesus war obdachlos“. Das Interesse der Jugendlichen an diesem Thema schien recht gering zu sein, denn wir hatten nur zwei Teilnehmerinnen. Aber immerhin, denn bei dem zweiten Workshop, in dessen Beschreibung der Begriff obdachlos vorkam, gab es gar keine Teilnehmer. Ich schätze mal, dass dieses Thema nicht zu sehr zieht.

    Aber unsere beiden Teilnehmerinnen waren dafür besonders engagiert. Nach dem Workshop beim Mittagessen kam eine Teilnehmerin auf mich zu und fragte, ob wir nicht das restliche Essen am Nachmittag in Worms verteilen könnten – eine tolle Idee! Ich habe mich darüber sehr gefreut, da es Eigeninitiative war. Wir fuhren schnell in den nachbarort und besorgten Einweggeschirr und machten uns am Nachmittag auf den Weg nach Worms. Dort angekommen mussten wir feststellen, dass die Anzahl der Obdachlosen recht gering zu sein schien. Davon ließen wir uns allerdings nicht abhalten und verteilten die Suppe munter an die Menschen, die uns begegneten – unter anderem einige Taxifahrer. Den meisten schien unsere Aktion suspekt zu sein, aber als wir erzählten, dass wir das tun, weil Jesus uns alle lieb hat, bekamen wir doch auch einige lächelnde Gesichter zu sehen…

    Eine Begegnung inspirierte mich zu diesem Text: Ralf. Ralf sah, dass wir die Suppe verteilten und kam deshalb zu uns an den Bahnhof, denn er hatte Hunger. Wir unterhielten uns eine Weile, während er aß. Meine Augen fielen auf einen kleinen roten Teufel, den er auf den rechten Unterarm tätowiert hatte. Ich fragte ihn, ob dieser eine tiefere Bedeutung für ihn habe, als nur das Symbol des 1.FC Kaiserslautern, was er verneinte. Daraufhin senkte sich sein Blick und er meinte: „Aber die hier schon…“ Er wurde traurig und zog sein Shirt ein wenig über die Brust herunter. Zum Vorschein kam ein Engel, über dem die Zahlen 1983-2015 standen. Es waren das Geburts- und Sterbejahr seiner Frau. Er erzählte mir ihre Geschichte und wie sie schließlich an einer Lungenentzündung starb. Sie seien beide in einem Drogenersatzprogramm gewesen, weshalb sie es nicht bemerkt hatten und deshalb auch nicht in Behandlung waren… Er schluchzte. Er machte sich Vorwürfe. Er wurde ruhiger…

    Er erzählte mir, dass er seither krank geschrieben sei – er packt es nicht mehr zu arbeiten. Sein Arbeitgeber hat ihn freigestellt – auf unbestimmte Zeit. Das Geld wird knapper und um seinen Schmerz und die vermeintliche Schuld zu ertragen, trinkt er nun sehr viel – zu viel, wie er meint. Deshalb hat er seinen Sohn auch schon lange nicht mehr gesehen, schließlich wolle er kein schlechtes Vorbild sein.

    Ich fragte ihn, was er sich wünschte. Er antwortete mir mit: „Zehn Minuten!“ Ich war etwas perplex und fragte weiter nach, woraufhin er nur meinte: „Fünf Minuten mit meiner Frau und fünf Minuten mit meinem Vater – es gab auch Probleme. Ich hätte mich gerne ausgesprochen. Es gab so vieles, was ich noch gerne gesagt hätte.“ Mittlerweile weinte er. Ich bot ihm Gebet an, was er dankend annahm. Währenddessen schluchzte er immer mehr. Dass es da einen gibt, der ihn liebt – das ging ihm sehr nahe. Und mir?

    Mir gingen die zehn Minuten nicht mehr aus dem Kopf. Ja, Zeit! Wir verschwenden sie, kosten sie nicht aus, schlagen sie tot… Aber womit und wofür eigentlich?

    Unser durchschnittlicher Tag sieht ungefähr so aus: 8,4 Stunden Schlaf/ im Bett, 9,6 Stunden verbringen wir mit Arbeit, Schule, Haushalt, Körperpflege – dann bleiben von 24 Stunden schon nur noch 6 Stunden, die frei verfügbar sind. Durchschnittlich gehen hiervon nochmals 3,5 Stunden für Fernsehen und Zeitung lesen drauf – macht noch 2,5 von 24 Stunden. Davon verwenden wir laut Statistik nur 7 Minuten mit unserem Partner.

    Wie viel Zeit dann für andere Menschen bleibt muss glaube ich nicht erwähnt werden. Nennt sich das, die Zeit nutzen? In Epheser 5,16a steht:

    Kaufet die Zeit aus.

    Nutze die Zeit, um Gutes zu tun. Trauere nicht Morgen um die heute vergebene Chance sondern tue Gutes, wo immer es dir möglich ist. In Sprüche 3,27-28 steht:

    Weigere dich nicht, dem Bedürftigen Gutes zu tun, wenn deine Hand es vermag.

     Sprich nicht zu deinem Nächsten: Geh hin und komm wieder; morgen will ich dir geben -, wenn du es doch hast.

     

    Viel zu oft trauern wir Situationen nach. Und irgendwann ist es zu spät. Deshalb beginne heute damit, die Zeit, die du hast, auszukosten, denn sie kommt nicht wieder…

    Dienstag, 27.10.2015